CE-Kennzeichnung & mehrsprachige Anleitungen — Was ändert sich durch KI?
In unseren bisherigen Blogbeiträgen haben wir die technologischen Grundlagen moderner KI-Übersetzung, rechtliche Risiken und Qualitätssicherungsstrategien beleuchtet. Heute widmen wir uns einem spezifischen Anwendungsfeld: Welche Auswirkungen hat der Einsatz von KI-Technologien auf CE-konforme mehrsprachige Dokumentation?
Diese Frage ist für mittelständische Hersteller mit CE-kennzeichnungspflichtigen Produkten existenziell. Denn während KI-Übersetzungen Effizienzgewinne im Bereich der technischen Übersetzung versprechen, bleiben die rechtlichen Anforderungen an technische Dokumentation unverrückbar bestehen.
Die wirtschaftliche Dimension ist beachtlich: Produktrückrufe aufgrund fehlerhafter Anleitungen können schnell sechsstellige Beträge verschlingen, Vertriebsstopps den Markteintritt verzögern, und im schlimmsten Fall drohen Bußgelder oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.
In diesem Beitrag analysieren wir die spezifischen Anforderungen der CE-Kennzeichnung an mehrsprachige Dokumentation und zeigen, wie sich KI sinnvoll in diesen hochregulierten Bereich integrieren lässt.
CE-Kennzeichnung: Rechtliche Grundlagen und Sprachanforderungen
Die CE-Kennzeichnung ist der „Reisepass“ für Produkte im europäischen Wirtschaftsraum. Sie signalisiert, dass ein Produkt sämtliche EU-Richtlinien und -Verordnungen erfüllt, die für diesen Produkttyp gelten.
Die sprachlichen Anforderungen der CE-Kennzeichnung
Eine zentrale Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung ist die Bereitstellung der Dokumentation in den Amtssprachen aller Zielländer. Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG fordert explizit in Artikel 1.7.4: „Für die Betriebsanleitung gelten die […] Sprachanforderungen. […] Die Betriebsanleitung muss in der oder den Amtssprachen der Gemeinschaft abgefasst sein, die von dem Mitgliedstaat, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird, bestimmt wird bzw. werden.“
Dies bedeutet konkret: Ein Hersteller, der seine Produkte in der gesamten EU vertreiben möchte, muss seine Betriebsanleitungen in bis zu 24 Amtssprachen bereitstellen — eine logistische und qualitative Herausforderung, selbst für große Unternehmen.
Spezifische Anforderungen je nach Produktkategorie
Die Anforderungen an die Dokumentation variieren je nach Produkttyp. Für Medizinprodukte gelten etwa die Bestimmungen der Medical Device Regulation (MDR), die besonders hohe Anforderungen an die Übersetzungsqualität stellt. Die MDR 2017/745 fordert explizit, dass „die vom Hersteller bereitgestellten Informationen […] in einer für den vorgesehenen Anwender leicht verständlichen Sprache abgefasst sein“ müssen.
Für Elektrogeräte definiert wiederum die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU die sprachlichen Anforderungen, während die Bauprodukteverordnung 305/2011 eigene Dokumentationsregeln festlegt. Die Vielfalt dieser Regelungen erhöht die Komplexität der mehrsprachigen Dokumentationserstellung erheblich.
Rechtliche Konsequenzen unzureichender Übersetzungen
Die rechtlichen Folgen mangelhafter Übersetzungen sind gravierend. Wie das Oberlandesgericht München in einem wegweisenden Urteil feststellte, kann sich ein Hersteller nicht von der Verantwortung für Übersetzungsfehler freizeichnen. Die Anleitung ist rechtlich ein integraler Bestandteil des Produkts.
Bemerkenswert: Mit der Novelle der EU-Produkthaftungsrichtlinie (2024/2853) wird die Verantwortung explizit auch auf KI-Systeme erweitert. Ab 2026 gilt Software, einschließlich Übersetzungs-KI, als „Produkt“ im rechtlichen Sinne, was die Verantwortungsebene für automatische Übersetzungen neu definiert.
Traditionelle Herausforderungen bei CE-konformer Dokumentation
Die Erstellung CE-konformer mehrsprachiger Dokumentation stellt Unternehmen traditionell vor erhebliche Herausforderungen, die über die in unserem Beitrag zu allgemeinen Haftungsrisiken genannten Aspekte hinausgehen.
CE-spezifische Besonderheiten
CE-konforme Dokumentation erfordert besondere Sorgfalt bei bestimmten dokumentspezifischen Elementen:
• Konformitätserklärungen: Diese müssen absolut präzise übersetzt werden, da sie rechtlich bindend sind
• Typenschilder und Kennzeichnungen: Die Übersetzung von Warnhinweisen auf dem Produkt selbst muss mit der Anleitung konsistent sein
• Risikobewertung: Sicherheitshinweise basieren auf der Risikobewertung und müssen in allen Sprachen gleichermaßen präzise wiedergegeben werden
• Normenspezifische Formulierungen: Viele CE-relevante Normen enthalten standardisierte Formulierungen, die in allen Sprachen korrekt wiedergegeben werden müssen
Validierungsbedarf nach Produktänderungen
Ein besonderes Problem entsteht bei Produktänderungen: Wenn ein Produkt modifiziert wird, müssen alle Sprachversionen der Dokumentation entsprechend angepasst werden – und alle Änderungen müssen konsistent sein. Bei 24 Sprachversionen und komplexen Änderungen wird dieser Prozess schnell unübersichtlich und fehleranfällig.
Zeit- und Kostenfaktoren
Die wirtschaftliche Belastung durch konventionelle Übersetzungsprozesse ist erheblich. Typische Preise für spezialisierte technische Übersetzungen liegen zwischen 0,15 und 0,30 € pro Wort. Für ein 100.000-Wörter-Handbuch in 24 Sprachen bedeutet dies Kosten zwischen 360.000 und 720.000 € – neben beträchtlichen Durchlaufzeiten, die die Markteinführung verzögern können.
KI-Revolution in der CE-konformen Dokumentation
Die Integration von KI-Technologien in den Übersetzungsprozess technischer Dokumentation verspricht fundamentale Verbesserungen – ohne dabei die rechtlichen Anforderungen der CE-Kennzeichnung zu kompromittieren.
CE-spezifische Vorteile der KI-Übersetzung
Neben den in unserem ersten Blogbeitrag beschriebenen allgemeinen Vorteilen bietet KI einige spezifische Stärken für CE-konforme Dokumentation:
• Konsistente Umsetzung normierter Formulierungen: KI-Systeme können einmal gelernte normenspezifische Formulierungen durchgängig konsistent anwenden
• Parallele Verarbeitung aller Sprachversionen: Änderungen können gleichzeitig in allen 24 EU-Sprachen umgesetzt werden, was die Konsistenz erhöht
• Schnelle Anpassung an regulatorische Änderungen: Bei Aktualisierungen von EU-Richtlinien kann die neue Terminologie schnell in alle Sprachversionen integriert werden
CE-konforme Textstrukturen
Technische Dokumentation für CE-gekennzeichnete Produkte folgt häufig standardisierten Strukturen, die durch EU-Normen vorgegeben sind. Diese Standardisierung kommt KI-Übersetzungssystemen entgegen: Sie können auf solche Strukturen trainiert werden und liefern dann besonders präzise Übersetzungen für diese spezifischen Dokumenttypen.
Die Normenreihe EN 82079 etwa definiert Anforderungen an die Struktur von Gebrauchsanleitungen – ein Regelwerk, das sich ideal für das Training spezialisierter KI-Übersetzungsmodelle eignet.
Grenzen der KI bei CE-relevanten Spezialfällen
Neben den in unserem Beitrag zu Haftungsrisiken bereits diskutierten generellen Grenzen gibt es CE-spezifische Herausforderungen:
• Produkthaftungsrelevante Warnhinweise: Diese erfordern juristische Präzision und kulturelle Anpassung
• Nationale Sonderregelungen: Manche EU-Länder haben zusätzliche nationale Anforderungen, die KI-Systeme nicht automatisch kennen
• Normative Verweise: Die korrekte Übersetzung von Verweisen auf andere EU-Normen und -Richtlinien erfordert spezifisches Fachwissen
CE-spezifische KI-Integrationsstrategien
Für CE-konforme Dokumentation sind spezifische Integrationsstrategien erforderlich, die über die in unserem Beitrag zur Qualitätssicherung beschriebenen allgemeinen Ansätze hinausgehen.
Normenkonforme KI-Training
Eine vielversprechende Strategie ist das Training von KI-Modellen speziell auf CE-relevante Normen und Richtlinien. Eine Übersetzungsagentur berichtet von beeindruckenden Ergebnissen durch domänenspezifisches Training: Pro Training wurde ein Qualitätszuwachs von 10 bis 15 BLEU-Punkten erreicht – ein signifikanter Anstieg, der bedeutet, dass die maschinellen Übersetzungen nach der normenspezifischen Anpassung erheblich näher an einer menschlichen Fachübersetzung lagen.
Für CE-konforme Dokumentation bedeutet dies: KI-Modelle können spezifisch auf die Übersetzung von EU-Richtlinien, harmonisierten Normen und standardisierten Warnhinweisen trainiert werden, was ihre Präzision in diesem hochspezialisierten Bereich erheblich steigert.
CE-spezifisches Terminologiemanagement
Für CE-konforme Dokumentation ist ein besonders rigides Terminologiemanagement erforderlich. Wie wir in unserem Beitrag zu KI-gestützter Terminologieverwaltung dargelegt haben, ist konsistente Terminologie ein entscheidender Qualitätsfaktor.
Für CE-Dokumentation sollte die Terminologiedatenbank zusätzlich folgende Elemente enthalten:
• Normenspezifische Begriffe: Offizielle Übersetzungen der in EN-Normen definierten Fachbegriffe
• Warnhinweis-Taxonomie: Standardisierte Übersetzungen für Signalwörter wie „Gefahr“, „Warnung“, „Vorsicht“ gemäß ISO 3864
• Rechtlich geprüfte Formulierungen: Validierte Übersetzungen für Haftungsausschlüsse und gesetzlich vorgeschriebene Hinweise
Die Integration dieses CE-spezifischen Terminologiemanagements in ein leistungsfähiges CAT-Tool wie memoQ schafft die Grundlage für rechtssichere KI-Übersetzungen.
Validierungsprozesse für CE-konforme KI-Übersetzungen
Für CE-konforme Dokumentation sind spezifische Validierungsprozesse erforderlich:
1. Pre-Translation-Validierung: Prüfung des Ausgangstextes auf Konformität mit CE-Anforderungen
2. Normative Referenzprüfung: Sicherstellen korrekter Verweise auf EU-Normen und -Richtlinien
3. CE-spezifische Post-Editing-Guidelines: Besonderer Fokus auf sicherheitsrelevante und rechtlich bindende Passagen
4. Regulatorische Compliance-Prüfung: Finale Kontrolle auf Übereinstimmung mit allen relevanten CE-Vorgaben
5. Dokumentierter Freigabeprozess: Nachvollziehbare Freigabe durch qualifizierte Fachexperten
Diese CE-spezifischen Validierungsprozesse ergänzen die allgemeinen Qualitätssicherungsmaßnahmen, die wir in früheren Beiträgen beschrieben haben.
Praxisbeispiel: KI-Integration in CE-Dokumentationsworkflows
Ein aufschlussreiches Beispiel für die erfolgreiche Integration von KI in CE-konforme Dokumentationsprozesse bietet ein mittelständischer Hersteller von Medizinprodukten.
Ausgangssituation und Herausforderungen
Das Unternehmen produziert Diagnosegeräte, die in 18 EU-Ländern vertrieben werden und den strengen Anforderungen der Medical Device Regulation (MDR) unterliegen. Die Dokumentation umfasst:
• Gebrauchsanweisungen (500+ Seiten)
• Software-Handbücher
• Service-Dokumentation für Techniker
• Schulungsmaterialien
• Regulatorische Dokumente (Konformitätserklärungen etc.)
Die Herausforderungen waren vielschichtig:
• Strenge regulatorische Anforderungen der MDR
• Häufige Software-Updates, die Dokumentationsaktualisierungen erfordern
• Hohe Kosten und lange Durchlaufzeiten bei konventioneller Übersetzung
• Risiko inkonsistenter Terminologie zwischen verschiedenen Dokumenttypen
CE-konformer KI-Integrationsansatz
Das Unternehmen implementierte einen maßgeschneiderten Ansatz, der KI-Effizienz mit regulatorischer Compliance verbindet:
1. CE-spezifisches Terminologiemanagement:
o Aufbau einer umfassenden Terminologiedatenbank mit MDR-spezifischer Fachterminologie
o Integration aller Warnhinweise gemäß ISO 3864 und IEC 82079
o Einbindung der offiziellen EU-Terminologie für medizintechnische Geräte
2. Hierarchischer Übersetzungsprozess:
o Stufe 1 (höchste Kritikalität): Warnhinweise, Kontraindikationen, Konformitätserklärungen werden vollständig manuell übersetzt
o Stufe 2 (mittlere Kritikalität): Bedienungsanleitungen, klinische Verfahren werden KI-vorübersetzt und durch Fachübersetzer vollständig post-editiert
o Stufe 3 (niedrige Kritikalität): Kontextinformationen, allgemeine Beschreibungen werden KI-übersetzt mit gezieltem Post-Editing
3. Validierung durch Regulatory Affairs:
o Finale Prüfung aller übersetzten Dokumente durch Regulatory Affairs-Spezialisten
o Dokumentierter Freigabeprozess mit regulatorischer Checkliste
o Auditfähige Dokumentation des gesamten Übersetzungs- und Prüfprozesses
Technologische Implementierung
Die technische Umsetzung erfolgte durch:
• memoQ als zentrales CAT-Tool mit KI-Integration
• Automatisierte Workflow-Prozesse für Dokumentationsupdate-Zyklen
• Zentrale Terminologiedatenbank mit regulatorischer Validierung
• Dokumentiertes Qualitätsmanagementsystem gemäß ISO 13485
Messbare Ergebnisse
Nach einem Jahr berichtete das Unternehmen von beeindruckenden Ergebnissen:
• 45% Kosteneinsparung bei der Dokumentationsübersetzung
• 60% schnellere Markteinführung nach Produktaktualisierungen
• Vollständige MDR-Compliance in allen Sprachversionen
• Erfolgreiche Bestehung mehrerer Audits durch Benannte Stellen
• Erhöhte Konsistenz zwischen verschiedenen Dokumenttypen
Dieses Beispiel demonstriert, dass KI-Integration und regulatorische Compliance sich nicht ausschließen – im Gegenteil, bei richtiger Implementierung verstärken sie sich gegenseitig.
EC-Declaration of Conformity: Besondere Herausforderungen
Die EG-Konformitätserklärung (EC Declaration of Conformity) verdient besondere Aufmerksamkeit, da sie das zentrale rechtliche Dokument der CE-Kennzeichnung darstellt.
Rechtliche Bedeutung und Übersetzungskomplexität
Die Konformitätserklärung ist das Dokument, mit dem der Hersteller die alleinige Verantwortung für die Konformität des Produkts mit allen relevanten Anforderungen übernimmt. Jeder Übersetzungsfehler in diesem Dokument kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben.
Besondere Herausforderungen umfassen:
• Präzise Wiedergabe aller referenzierten EU-Richtlinien und harmonisierten Normen
• Korrekte Übersetzung der exakten Produktbezeichnung und Typenbezeichnungen
• Rechtssichere Formulierung der Konformitätsbestätigung
• Einheitliche Darstellung in allen Sprachversionen
KI-gestützte Übersetzung von Konformitätserklärungen
Für die Übersetzung von Konformitätserklärungen empfiehlt sich ein mehrstufiger Ansatz:
1. Templatisierung: Erstellung standardisierter Templates für jede Produktkategorie
2. KI-Vorübersetzung: Nutzung spezialisierter, auf EU-Richtlinien trainierter KI-Modelle
3. Fachliche Validierung: Vollständige Überprüfung durch qualifizierte technische Übersetzer
4. Juristische Prüfung: Zusätzliche Validierung durch Rechtsexperten mit Kenntnis des EU-Produktrechts
5. Dokumentation: Vollständige Dokumentation aller Prüfschritte für Nachweiszwecke
Trotz KI-Unterstützung bleibt die menschliche Expertise bei Konformitätserklärungen unverzichtbar – hier geht rechtliche Sicherheit klar vor Effizienzgewinn.
Best Practices für CE-konforme KI-Integrationen
Aus den bisherigen Erfahrungen lassen sich spezifische Best Practices für die Integration von KI in CE-konforme Übersetzungsprozesse ableiten.
Strategische Implementierungsschritte
Eine erfolgreiche Implementation umfasst diese Schritte:
1. CE-Gap-Analyse: Identifikation der spezifischen CE-Anforderungen für Ihre Produktkategorie
2. Dokumentenklassifikation: Unterscheidung zwischen rechtlich verbindlichen und informativen Inhalten
3. Pilotphase: Testlauf mit nicht-kritischen Dokumenten, um die KI-Qualität zu evaluieren
4. Prozessvalidierung: Überprüfung des gesamten Workflows auf Compliance mit den CE-Anforderungen
5. Skalierung: Schrittweise Ausweitung auf weitere Dokumenttypen und Sprachen
Qualifikation der Beteiligten
Besonders wichtig ist die spezifische Qualifikation aller Beteiligten:
• Post-Editoren: Müssen sowohl Fachübersetzer als auch CE-Experten sein
• Reviewer: Benötigen Kenntnisse der relevanten EU-Richtlinien und Normen
• Projektmanager: Sollten in regulatorischen Anforderungen geschult sein
• Toolverantwortliche: Müssen die CE-spezifischen Anforderungen an Terminologie und Formatierung kennen
Eine regelmäßige Schulung zu aktuellen regulatorischen Entwicklungen ist unerlässlich, da sich die EU-Vorschriften kontinuierlich weiterentwickeln.
Auditfähige Dokumentation
Für CE-konforme Dokumentation ist die Nachweisführung entscheidend:
• Übersetzungsprozess-Dokumentation: Wer hat wann welchen Teil übersetzt/geprüft/freigegeben
• Qualifikationsnachweise: Belege für die Fachkompetenz der beteiligten Übersetzer und Prüfer
• Validierungsprotokolle: Dokumentation der durchgeführten Qualitätsprüfungen
• Änderungshistorie: Nachvollziehbare Dokumentation aller Änderungen und Aktualisierungen
Diese Dokumentation ist bei behördlichen Überprüfungen oder im Schadensfall ein wichtiger Nachweis der Sorgfaltspflicht.
Zukunftsperspektiven: CE-Dokumentation im KI-Zeitalter
Die Integration von KI in CE-konforme Dokumentationsprozesse wird sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln.
Regulatorische Entwicklungen
Mit der Umsetzung des EU AI Acts kommen zusätzliche Anforderungen hinzu. Die am 1. August 2024 in Kraft getretene Verordnung klassifiziert KI-Systeme nach Risikoklassen und wird ab Februar 2025 schrittweise anwendbar. Artikel 11 der KI-Verordnung verpflichtet zur Transparenz: Nutzer müssen informiert werden, wenn sie mit KI-generierten Inhalten interagieren.
Eine spannende Frage für die Zukunft: Werden Marktaufsichtsbehörden für CE-gekennzeichnete Produkte spezifische Anforderungen an KI-übersetzte Dokumentation stellen? Möglicherweise werden transparente Prozessnachweise gefordert, die belegen, dass KI-Übersetzungen angemessen validiert wurden.
Vereinheitlichung der EU-Terminologie
Ein vielversprechender Trend ist die zunehmende Standardisierung der EU-Terminologie durch Projekte wie IATE (InterActive Terminology for Europe). Diese Terminologiedatenbanken bieten ideale Trainingsgrundlagen für KI-Systeme, die auf CE-relevante Übersetzungen spezialisiert sind.
Die fortschreitende Normung technischer Dokumentation durch Standards wie IEC/IEEE 82079-1 schafft zudem Strukturen, die KI-Übersetzungen begünstigen – ein sich selbst verstärkender positiver Effekt.
Integrierte Compliance-Checks
Zukünftige KI-Systeme könnten direkt während des Übersetzungsprozesses die Einhaltung CE-relevanter Anforderungen prüfen und automatisch auf potenzielle Compliance-Probleme hinweisen. Solche integrierten Compliance-Checks würden die Rechtssicherheit erheblich steigern und gleichzeitig den menschlichen Prüfaufwand reduzieren.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Integration von KI in die Übersetzung CE-konformer Dokumentation bietet erhebliche Effizienzpotenziale, ohne die rechtliche Sicherheit zu kompromittieren. Der Schlüssel liegt in einem differenzierten Ansatz, der die spezifischen CE-Anforderungen berücksichtigt und KI dort einsetzt, wo sie ihre Stärken entfalten kann.
Konkrete nächste Schritte
Für Dokumentationsverantwortliche empfehlen wir diese konkreten Maßnahmen:
1. CE-spezifische Bestandsaufnahme: Analysieren Sie Ihre Dokumentation unter CE-Compliance-Gesichtspunkten
2. Normenkonforme Terminologiebasis: Etablieren Sie eine CE-spezifische Terminologiedatenbank
3. Technologieauswahl: Evaluieren Sie CAT-Tools wie memoQ hinsichtlich CE-spezifischer Funktionen
4. Kritikalitätsbasierter Prozess: Implementieren Sie abgestufte Übersetzungs- und Prüfprozesse je nach regulatorischer Relevanz
5. Auditfähige Dokumentation: Etablieren Sie eine lückenlose Dokumentation aller Übersetzungs- und Prüfschritte
PRODOC als Partner für CE-konforme KI-Übersetzungslösungen
Als PRODOC Translations bringen wir über 30 Jahre Erfahrung in der technischen Übersetzung mit aktuellstem Know-how zu KI-Technologien zusammen. Wir unterstützen Sie bei der Implementation CE-konformer KI-Übersetzungslösungen – von der Bestandsaufnahme über die Prozessoptimierung bis zur konkreten technologischen Umsetzung.
Unser Anspruch: Wir kombinieren die Effizienzpotenziale moderner KI-Technologien mit der Rechtssicherheit menschlicher Expertise – maßgeschneidert für Ihre spezifischen CE-Compliance-Anforderungen.
Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Beratungsgespräch, in dem wir gemeinsam analysieren, wie Sie KI-Technologien sicher und effizient in Ihre CE-konforme Dokumentation integrieren können.
Ähnliche Beiträge
Die CE-Kennzeichnung verlangt, dass alle sicherheitsrelevanten Informationen, insbesondere Betriebsanleitungen, in den Amtssprachen der jeweiligen Vertriebsländer innerhalb der EU bereitgestellt werden. Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG sowie weitere Richtlinien wie die Medical Device Regulation (MDR) fordern explizit vollständige, korrekte und verständliche Übersetzungen. Jede Sprachversion muss die gleiche Qualität und Rechtssicherheit bieten wie das Original – ein Fehlen oder Fehler in einer Sprachversion kann die Konformität gefährden und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Fachquelle:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32006L0042
Fehlerhafte oder unvollständige Übersetzungen in CE-Dokumentationen können gravierende Folgen haben: Produktrückrufe, Markteintrittsstopps, Imageschäden oder sogar strafrechtliche Verfolgung. Rechtlich gesehen ist die Anleitung Teil des Produkts – Übersetzungsfehler gelten daher als Produktfehler. Die Haftung des Herstellers bleibt bestehen, auch wenn externe Dienstleister die Übersetzungen durchgeführt haben. Mit der neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie 2024/2853 wird diese Verantwortung sogar auf KI-gestützte Systeme ausgeweitet.
Unternehmen sollten ihre Übersetzungsprozesse so gestalten, dass sie regulatorischen Anforderungen standhalten und im Ernstfall auditfähig sind. Dazu gehören:
-
Strikte Dokumentation jedes Übersetzungsschritts (Wer, Was, Wann).
-
Einsatz qualifizierter Fachübersetzer und normenkonformer Terminologie.
-
Validierungsprozesse für kritische Dokumente (z. B. Konformitätserklärungen, Sicherheitshinweise).
-
Nutzung sicherer CAT-Tools (z. B. memoQ) mit Terminologie- und Translation Memory-Management.
-
Verknüpfung der Übersetzungsworkflows mit Qualitätsmanagementsystemen nach ISO 9001 oder ISO 13485.
So lassen sich Effizienzgewinne und Rechtssicherheit miteinander kombinieren.
Fachquelle:
https://www.tuvsud.com/de-de/wissenscenter/faq/ce-kennzeichnung-und-produktkonformitaet