Maschinelle Übersetzung 2025 – Wo stehen wir wirklich?
In den vergangenen Jahren haben wir eine bemerkenswerte Transformation in der Welt der maschinellen Übersetzung erlebt.
Was mit einfachen regelbasierten Systemen begann, entwickelte sich über statistische Modelle zu den heutigen hochkomplexen neuronalen Netzwerken und generativen KI-Systemen. Versprechen von „nahezu menschlicher Übersetzungsqualität“ und „vollautomatisierten Lokalisierungsprozessen“ begleiten fast jede Produktankündigung – doch wie viel davon ist Realität und wie viel bleibt Zukunftsmusik?
Als Experten für technische Fachübersetzungen mit über 30 Jahren Erfahrung beobachten wir bei PRODOC diese Entwicklung aus einer privilegierten Position: Mit einem Bein fest in der ingenieurtechnischen Präzision verwurzelt, mit dem anderen Schritt für Schritt die neuen Möglichkeiten der KI erkundend. Was wir dabei feststellen: Die Realität der maschinellen Übersetzung 2025 ist weder das dystopische Szenario überflüssiger Übersetzer noch das utopische Bild fehlerfreier automatischer Kommunikation.
In diesem Artikel nehmen wir eine nüchterne Bestandsaufnahme vor und beleuchten den tatsächlichen Stand der Technik – mit allen Fortschritten, aber auch mit jenen Grenzen, die besonders für technische Dokumentation und Fachübersetzung relevant sind. Für Dokumentationsleiter und Lokalisierungsverantwortliche wie Sie ist dies kein akademisches Thema: Die Entscheidungen, die Sie heute über KI-Integration in Ihre Übersetzungsprozesse treffen, haben direkte Auswirkungen auf Kosten, Markteinführungszeiten, Qualität und nicht zuletzt auf Ihre rechtliche Absicherung.
Lassen Sie uns also einen unverstellten Blick auf die maschinelle Übersetzung im Jahr 2025 werfen – jenseits von Hersteller-Hype und technologieskeptischen Bedenken.
Aktuelle Technologien im Überblick
Die Landschaft der maschinellen Übersetzung präsentiert sich 2025 vielfältiger denn je, mit verschiedenen Technologieansätzen, die jeweils eigene Stärken und Anwendungsbereiche bieten. Drei Hauptkategorien dominieren den Markt:
Neuronale maschinelle Übersetzung (NMT) als Grundpfeiler
Spezialisierte neuronale Übersetzungssysteme wie DeepL, Google Neural Machine Translation oder Microsoft Translator bilden nach wie vor das Rückgrat der maschinellen Übersetzung. Diese Systeme wurden gezielt auf Milliarden von Paralleltexten trainiert und erreichen besonders bei häufigen Sprachpaaren wie Englisch-Deutsch beeindruckende Genauigkeit.
Der Vorteil dieser Systeme liegt in ihrer Spezialisierung: Sie wurden ausschließlich für Übersetzungsaufgaben entwickelt und optimiert. Aktuelle Studien zeigen, dass dedizierte NMT-Systeme in puncto terminologischer Konsistenz und Format-Treue nach wie vor leichte Vorteile gegenüber den universelleren Large Language Models bieten. Besonders in der technischen Dokumentation, wo präzise Formatierung und Terminologie entscheidend sind, bleibt dies ein wichtiger Faktor.
Innovative Entwicklungen wie dynamische Kontextfenster ermöglichen es modernen NMT-Systemen zudem, über Satzgrenzen hinweg Zusammenhänge zu erfassen – ein wesentlicher Fortschritt gegenüber früheren Versionen, die Sätze isoliert betrachteten.
Generative KI revolutioniert die Übersetzungslandschaft
Die Integration von Large Language Models (LLMs) wie GPT-4, Claude oder Llama 3 hat die Übersetzungsbranche in den letzten Jahren grundlegend verändert. Diese Modelle wurden nicht primär für Übersetzungen entwickelt, sondern beherrschen Übersetzung als eine von vielen Fähigkeiten – und das erstaunlich gut.
Der signifikante Vorteil dieser Systeme liegt in ihrem kontextuellen Verständnis und dem eingebauten Weltwissen. Ein Branchenexperte bezeichnete die Ergebnisse im Vergleich zu etablierten MT-Engines als „bemerkenswert“. Während klassische NMT-Systeme manchmal an der Oberfläche des Textes bleiben, können LLMs den tieferen Sinn eines Satzes erschließen und entsprechend übersetzen.
Google’s Adaptive Translation – ein 2023 eingeführter LLM-basierter Übersetzungsmodus – illustriert diesen Ansatz. Linguisten bevorzugten in Tests die adaptiven LLM-Übersetzungen wegen ihres natürlicheren, nuancierteren Stils, selbst wenn traditionelle Metriken wie BLEU dies nicht immer widerspiegeln.
Hybride Systeme: Das Beste aus beiden Welten
Die innovativsten Lösungen von 2025 kombinieren die Stärken beider Ansätze. Hybride Systeme nutzen spezialisierte NMT-Engines für die Grundübersetzung und LLMs für kontextuelle Anpassungen und Verfeinerungen.
Ein vielversprechendes Beispiel ist die Integration von Terminologie-Management in LLM-Workflows: RWS (Trados) hat 2024 generative Übersetzungsfunktionen vorgestellt, bei denen eine KI-Komponente automatisch Terminologie aus dem Firmen-Terminologielexikon in den MT-Vorschlag einfügt. Dies adressiert eines der Hauptprobleme klassischer MT-Systeme – die inkonsistente Anwendung firmeneigener Fachterminologie.
Multi-Engine-Ansätze gehen noch einen Schritt weiter: Sie leiten einen Text durch mehrere Übersetzungssysteme und kombinieren die Ergebnisse intelligent. In einigen Testszenarien konnten so die Fehlerraten um bis zu 30% reduziert werden, verglichen mit dem jeweils besten Einzelsystem.
Spezialisierte Fachübersetzungs-KI
Eine besonders für die technische Dokumentation relevante Entwicklung sind domänenspezifische Modelle. Diese wurden auf bestimmte Fachgebiete wie Maschinenbau, Medizintechnik oder Automobil trainiert und verstehen die Feinheiten der jeweiligen Terminologie.
Die Möglichkeit, allgemeine LLMs durch Finetuning auf firmenspezifische Übersetzungsdaten zu spezialisieren, hat sich als besonders wertvoll erwiesen. Unternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Dokumentation können ihre validierten Übersetzungen als Trainingsmaterial nutzen und so MT-Modelle entwickeln, die den spezifischen Firmensprachgebrauch präzise abbilden.
Diese technologische Vielfalt bietet Unternehmen heute mehr Optionen denn je – stellt sie aber auch vor die Herausforderung, die für ihre spezifischen Bedürfnisse optimale Lösung zu identifizieren. Im nächsten Abschnitt betrachten wir, wie sich diese Technologien in der Praxis bewähren.
Leistungsfähigkeit in der Praxis
Wie gut funktionieren diese Technologien tatsächlich im Alltag eines technischen Dokumentationsteams? Jenseits von Marketingversprechen und theoretischen Bewertungen bietet die praktische Anwendung oft ein differenzierteres Bild.
Qualität nach Sprachpaaren: Ein unausgewogenes Bild
Die Leistung maschineller Übersetzungssysteme variiert erheblich je nach Sprachpaar. Bei ressourcenstarken Kombinationen wie Englisch-Deutsch erreichen moderne Systeme beeindruckende Ergebnisse. Studien zeigen, dass GPT-4 bei diesen Sprachpaaren ähnlich wenige Fehler macht wie unerfahrene Humanübersetzer – auch wenn es noch hinter erfahrenen Fachübersetzern zurückbleibt.
Bei selteneren Sprachkombinationen wie Finnisch-Japanisch oder Deutsch-Arabisch zeigen sich jedoch deutliche Qualitätsunterschiede. Hier kann die Fehlerrate um das Drei- bis Vierfache höher liegen, was erheblichen Post-Editing-Aufwand nach sich zieht. Besonders bei komplexen technischen Anleitungen kann dies problematisch sein.
Technische Dokumentation: Ideal für maschinelle Übersetzung?
Technische Dokumentation gilt als besonders geeignet für maschinelle Übersetzung. Sie ist meist klar strukturiert, eindeutig formuliert und verzichtet auf Mehrdeutigkeiten. Lange, blumige Sätze, Ironie oder komplexe Wortspiele kommen kaum vor – was einfach zu lesen ist, lässt sich für MT in der Regel auch einfacher übersetzen.
Erste Experimente bestätigen dies: Technische Anleitungen lassen sich oft allein durch MT in brauchbarer Qualität erzeugen. Die Fachterminologie ist zwar spezialisiert, aber begrenzt und gut dokumentiert. Glossare und Translation Memorys liefern dem MT-System bekannte Fachwörter, wodurch eine Engine leicht auf das Fachgebiet zugeschnitten werden kann.
In der Praxis beobachten wir bei PRODOC jedoch drei typische Herausforderungen:
1. Terminologische Konsistenz: Maschinelle Übersetzer verwenden Fachbegriffe nicht immer konsistent. So wird beispielsweise dasselbe Bauteil in verschiedenen Kapiteln manchmal unterschiedlich übersetzt, was Leser verwirren kann.
2. Kontextuelles Verständnis: Selbst moderne KI-Systeme können den breiteren Kontext einer Anleitung manchmal missverstehen. Ein konkretes Beispiel: In einem Servicehandbuch für eine Industriemaschine wurde die Aufforderung „Prüfen Sie den Druck“ je nach Kapitelkontext mal als Flüssigkeitsdruck, mal als mechanischer Druck interpretiert – mit potenziell gefährlichen Folgen.
3. Zu wörtliche Übersetzungen: GPT-4 und ähnliche Modelle liefern oft wortgetreue Übersetzungen, während menschliche Übersetzer sinnentsprechend umformulieren würden. Dies kann dazu führen, dass Anleitungen steif oder unnatürlich klingen.
Vergleichende Fallstudie: Benutzerhandbuch einer CNC-Maschine
In einem direkten Vergleich ließen wir ein 80-seitiges Benutzerhandbuch für eine CNC-Maschine durch vier verschiedene Systeme übersetzen:
• Ein spezialisiertes NMT-System
• Ein generelles LLM (GPT-4)
• Ein feinabgestimmtes domänenspezifisches LLM
• Ein hybrider Ansatz mit Terminologie-Injektion
Die Ergebnisse waren aufschlussreich: Während alle Systeme grundlegend verständliche Übersetzungen lieferten, schnitt der hybride Ansatz mit Terminologie-Injektion in puncto Konsistenz und fachlicher Genauigkeit am besten ab. Das domänenspezifische LLM erzeugte den natürlichsten Lesefluss, während das generelle LLM bei komplexen Sicherheitshinweisen gelegentlich Nuancen verlor.
Keines der Systeme produzierte jedoch eine Übersetzung, die ohne menschliche Überprüfung hätte veröffentlicht werden können – besonders bei sicherheitsrelevanten Passagen, rechtlichen Hinweisen und komplexen Problemlösungsszenarien wurden Nachbearbeitungen nötig.
Diese praktischen Erfahrungen decken sich mit der Einschätzung vieler Experten: Maschinelle Übersetzung in der technischen Dokumentation ist heute so gut, dass manche für bestimmte Anwendungsfälle bereits einen vollautomatischen Übersetzungsprozess ohne menschliche Validierung für denkbar halten – jedoch mit der wichtigen Einschränkung, dass sicherheitsrelevante Inhalte stets menschlich überprüft werden sollten.
Integration in bestehende Workflows
Die technische Leistungsfähigkeit der Übersetzungssysteme ist nur ein Teil des Gesamtbilds. Entscheidend für den praktischen Nutzen ist die nahtlose Integration in bestehende Arbeitsabläufe. Hier hat sich seit 2023 einiges getan.
CAT-Tools mit KI-Unterstützung
Nahezu alle professionellen CAT-Tools (Computer Aided Translation) haben inzwischen Schnittstellen zu MT-Diensten. Übersetzer können in Tools wie SDL Trados, memoQ, Across oder Phrase maschinelle Übersetzungsvorschläge abrufen, die neben Translation-Memory-Treffern angezeigt werden.
Der nächste Evolutionsschritt ist die direkte Einbindung von LLMs in diese Tools. RWS (Trados) beispielsweise hat 2024 generative Übersetzungsfunktionen vorgestellt, bei denen ein LLM genutzt wird, um erkannte Fachwörter im MT-Ergebnis automatisch durch die bevorzugten Terme zu ersetzen und dem Übersetzer so direkt einen konsistenteren Entwurf anzubieten.
Diese Kombination aus Terminologie-Management und KI reduziert den manuellen Korrekturaufwand deutlich und stellt einen wichtigen Fortschritt dar. Ähnliche Entwicklungen gibt es bei anderen Anbietern – Custom.MT integrierte 2023 mehrere Übersetzungs-LLMs (u.a. Claude von Anthropic) in gängige Übersetzungsumgebungen wie Trados, memoQ und XTM.
Workflow-Automatisierung
Neben den Übersetzungstools selbst spielt die Workflow-Automatisierung eine große Rolle. Unternehmen integrieren MT zunehmend in ihre Content-Management- und Publikationsprozesse.
Automatisierungstools wie Zapier, Make (ehemals Integromat) oder n8n erlauben es, ohne Programmieraufwand verschiedene Systeme zu verknüpfen. Ein typisches Szenario: Sobald ein neues Dokument im CMS erstellt wird, wird es automatisch zur Vorübersetzung an einen MT-Dienst gesendet und das Ergebnis als Entwurf zurück ins System gespielt.
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis: Ein Hersteller von Präzisionsinstrumenten nutzt n8n, um Support-Tickets automatisch zu übersetzen, damit ein zentraler Support in Englisch den Inhalt versteht. Die Antworten werden dann wieder automatisch in die Sprache des Kunden übersetzt – dies verkürzt die Reaktionszeit erheblich.
Terminologie-Management und KI
Ein fortschrittlicher Integrationsansatz ist die Verknüpfung von Terminologie-Management und KI. Hier entsteht ein Kreislauf, der sich selbst verbessert:
1. Ein Übersetzungssystem erzeugt eine erste Übersetzung
2. Ein KI-Assistent prüft die Terminologie gegen Unternehmensglossar
3. Vorschläge werden integriert und dem Übersetzer präsentiert
4. Korrekturen fließen zurück ins System und verbessern künftige Übersetzungen
Diese Feedback-Schleifen sorgen dafür, dass die Systeme kontinuierlich lernen und sich den spezifischen Anforderungen des Unternehmens anpassen. In der technischen Dokumentation, wo Konsistenz entscheidend ist, bietet dieser Ansatz erhebliche Vorteile.
Durch solche Integrationen verkürzt sich der Übersetzungsdurchlauf enorm – teilweise von Tagen auf Stunden. Dies ermöglicht es Unternehmen, deutlich schneller auf neue Märkte zu reagieren oder Produktaktualisierungen zeitnah global auszurollen.
Ein optimierter Übersetzungsworkflow mit KI sieht heute oft so aus, dass maschinelle Vorübersetzung und menschliche Nachbearbeitung Hand in Hand gehen. Dieser „augmented translation „-Ansatz spart Zeit, da Routinepassagen vom MT-System erledigt werden und der Linguist sich auf Feinschliff und Fehlerkorrektur konzentrieren kann.
Herausforderungen und Grenzen
Trotz der beeindruckenden Fortschritte stehen Unternehmen bei der Implementierung maschineller Übersetzungssysteme vor erheblichen Herausforderungen. Diese zu kennen und proaktiv zu adressieren ist entscheidend für eine erfolgreiche Integration.
Qualitative Herausforderungen
Die Terminologie-Treue bleibt ein zentrales Problem. Maschinelle Übersetzer verwenden Fachbegriffe nicht immer konsistent oder gemäß unternehmensspezifischer Terminologie-Vorgaben. Ein einfaches Beispiel: In einer Anleitung wurde der englische Begriff „power supply“ in verschiedenen Abschnitten mit „Netzteil“, „Stromversorgung“ und „Spannungsversorgung“ übersetzt – technisch nicht falsch , aber verwirrend für den Leser.
Ein weiteres Risiko sind Übersetzungsfehler durch Kontextverlust oder „Halluzinationen“ der KI. In Evaluierungen wurden teils gravierende Fehlübersetzungen beobachtet – etwa, dass der einfache deutsche Satz „Ich bin gerannt“ von einem MT-System fälschlich mit „I’m a manager“ ins Englische übersetzt wurde. Solche Ausreißer sind selten, aber im technischen Bereich potenziell gefährlich, wenn sie Sicherheitshinweise oder Maßeinheiten betreffen.
Fachliche Ungenauigkeiten treten besonders dort auf, wo der breitere Kontext für das Verständnis wichtig ist. Eine generische MT-Engine versteht möglicherweise die Domäne nicht tiefgehend. Sie könnte etwa den fachlichen Kontext eines Satzes missdeuten oder Abkürzungen falsch interpretieren.
Datenschutz und Compliance
MT-Dienste – insbesondere cloud-basierte – verarbeiten oft vertrauliche Texte: technische Spezifikationen, Baupläne, interne Berichte oder Kundendaten. Sobald solche Daten an einen externen KI-Dienst gesendet werden, besteht das Risiko unbefugten Zugriffs oder von Datenlecks.
Die DSGVO stellt besondere Anforderungen, wenn die zu übersetzenden Dokumente personenbezogene Daten enthalten. Das Hochladen zu einem Online-Übersetzungsdienst kann einen DSGVO-Verstoß bedeuten, wenn keine Einwilligung vorliegt oder der Dienst die Daten weiterverarbeitet.
Unternehmen müssen sicherstellen, dass Übersetzungsdaten nicht in falsche Hände geraten. Viele Firmen fordern daher für den Einsatz von MT strenge Sicherheitsmaßnahmen wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, serverseitige Verarbeitung in der EU oder Löschung der Daten nach Verarbeitung.
Haftungsrisiken
Sobald maschinelle Übersetzungen in offiziellen Dokumentationen verwendet werden, stellen sich juristische Fragen. Ein Maschinenhersteller kann sich nicht von der Verantwortung für Übersetzungsfehler freizeichnen. Gesetzlich gilt: Die Anleitung ist Teil des Produkts. Ist die Übersetzung mangelhaft und führt das zu Fehlbedienung oder Unfällen, haftet der Hersteller wie für einen Sachmangel am Produkt.
Selbst wenn ein externer Übersetzer oder eine KI den Fehler verursacht hat, bleibt das Unternehmen in der Pflicht, denn die CE-Richtlinien verlangen verständliche Anleitungen in der Landessprache. Das Oberlandesgericht München entschied 2024 in einem wegweisenden Urteil, dass ein Unternehmen für Schäden haften musste, die durch eine fehlerhafte, maschinell übersetzte Anleitung entstanden waren.
Um diese Risiken zu minimieren, muss jeder KI-Ausgabe mit derselben Sorgfalt begegnet werden wie einer menschlichen Übersetzung. Best Practice ist klar: das Vier-Augen-Prinzip. Selbst wenn maschinell vorübersetzt wird, sollte ein qualifizierter Übersetzer oder Technischer Redakteur das Ergebnis prüfen und freigeben.
Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie die Verantwortung für inhaltliche Fehler tragen, egal ob ein Mensch oder eine KI übersetzt hat. Entsprechend sollten Kontrollmechanismen und Qualitätsprüfungen integraler Bestandteil eines KI-Übersetzungsprozesses sein.
Perspektive: Mensch-Maschine-Zusammenarbeit
Die Entwicklung der maschinellen Übersetzung führt nicht zum oft befürchteten Verschwinden menschlicher Übersetzer, sondern zu einer Neugestaltung ihrer Rolle. Die fruchtbarsten Ansätze basieren auf einer intelligenten Symbiose zwischen menschlicher Expertise und maschineller Effizienz.
Die neue Rolle des Übersetzers
Der Übersetzer wird zunehmend zum Post-Editor, Qualitätssicherer und KI-Trainer. Anstatt jeden Satz neu zu formulieren, konzentriert er sich darauf, maschinelle Vorübersetzungen zu prüfen, zu verbessern und durch Feedback die Systeme kontinuierlich zu verbessern.
In der technischen Dokumentation ist dieser Wandel besonders ausgeprägt. Hier arbeiten Menschen mit ingenieurwissenschaftlichem Hintergrund und Sprachkompetenz oft eng mit KI-Systemen zusammen. Sie bringen ihr Fachwissen ein, um technische Nuancen zu erfassen, die der KI entgehen könnten, während die Maschine Routinepassagen übernimmt.
Dieser kooperative Ansatz steigert die Produktivität erheblich. Untersuchungen zeigen, dass professionelle Übersetzer mit CAT-Tools und MT-Unterstützung mindestens 30% mehr Output schaffen als ohne diese Hilfsmittel. Viele berichten sogar von einer Verdopplung der Übersetzungsgeschwindigkeit.
Wo bleibt der Mensch unverzichtbar?
Trotz der Fortschritte gibt es Bereiche, in denen menschliche Übersetzer unersetzlich bleiben:
Kreativität und kulturelle Adaption: Überall dort, wo Feingefühl und kulturelles Verständnis gefragt sind, stößt die Maschine an Grenzen. Werbetexte, die eine emotionale Wirkung erzielen sollen, erfordern kreative Neuformulierung durch Sprachexperten.
Kritische Sicherheitsinhalte: Bei Warnhinweisen, medizinischen Anweisungen oder juristischen Texten kann selbst ein kleiner Übersetzungsfehler schwerwiegende Folgen haben. Hier bleibt menschliche Kontrolle unverzichtbar.
Ambiguität und Kontext: Texte mit Mehrdeutigkeiten, indirekten Anspielungen oder komplexen Zusammenhängen erfordern ein tieferes Verständnis, als selbst fortschrittliche KI-Systeme bieten können.
Spezielle Fachexpertise: In hochspezialisierten technischen Bereichen ist domänenspezifisches Wissen entscheidend. Ein Übersetzer mit Fachkenntnissen in der Halbleitertechnologie oder Medizintechnik bringt Verständnis mit, das generische KI-Systeme nicht replizieren können.
Human-in-the-Loop als Best Practice
Der „Human-in-the-Loop“ Ansatz hat sich als Best Practice etabliert. Hier wird KI-Übersetzung als Teamwork zwischen Maschine und Mensch verstanden.
Ein qualifizierter Post-Editor überprüft MT-Ergebnisse und verbessert sie bei Bedarf. Diese sollten idealerweise Muttersprachler der Zielsprache mit Fachkenntnis sein und Erfahrung im Umgang mit typischen MT-Fehlern haben.
Für veröffentlichte Dokumentation, besonders mit rechtlicher Relevanz, wird „Full Post-Editing“ empfohlen. Das Ziel: Nach der Post-Editierung ein qualitativ hochwertiger Text, der von einer rein menschlichen Übersetzung nicht zu unterscheiden ist.
Die neue ISO 18587:2017 definiert genau diese Standards für Post-Editing. Sie legt fest, welche Kompetenzen Post-Editoren haben sollen und welche Qualität das Ergebnis haben muss.
Diese bewährte Kombination aus maschineller Effizienz und menschlicher Expertise führt zu optimalen Ergebnissen: schnellere Durchlaufzeiten, niedrigere Kosten und gleichzeitig hohe Qualität sowie rechtliche Sicherheit.
Fazit und Ausblick
Die maschinelle Übersetzung hat 2025 ein Niveau erreicht, das vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar war. Hybride Systeme, die spezialisierte NMT mit generativer KI kombinieren, liefern in vielen Fällen beeindruckende Ergebnisse. Dennoch bleibt die Realität komplexer als die oft überschwänglichen Marketingversprechen vermuten lassen.
Eine realistische Einschätzung
Für technische Dokumentation bietet die maschinelle Übersetzung heute konkrete Vorteile:
• Deutlich beschleunigte Übersetzungsprozesse
• Kosteneinsparungen von 30-50% bei geeigneten Inhalten
• Verbesserte Konsistenz durch intelligente Terminologiesteuerung
• Die Möglichkeit, mehr Inhalte in mehr Sprachen verfügbar zu machen
Gleichzeitig bestehen Herausforderungen fort:
• Qualitative Schwankungen, besonders bei exotischen Sprachpaaren
• Rechtliche und compliance-bezogene Risiken
• Die Notwendigkeit angepasster Prozesse und Workflows
• Weiterhin erforderliche menschliche Expertise für kritische Inhalte
Der größte Mehrwert entsteht dort, wo Unternehmen einen differenzierten Ansatz wählen: KI-Übersetzung dort nutzen, wo sie effizient einen guten Erstentwurf liefert, und Menschen dort einsetzen, wo Qualität, Kreativität und Verantwortung es erfordern.
Empfehlungen für Unternehmen
Basierend auf unserer langjährigen Erfahrung und den aktuellen Entwicklungen empfehlen wir Ihnen:
1. Strategische Inhaltsanalyse: Segmentieren Sie Ihre Inhalte nach Kritikalität und Übersetzungsstrategie. Nicht jeder Text eignet sich gleichermaßen für maschinelle Übersetzung.
2. Prozessintegration: Entwickeln Sie klare Workflows, die maschinelle Vorübersetzung und menschliche Nachbearbeitung sinnvoll kombinieren.
3. Terminologiearbeit: Investieren Sie in strukturiertes Terminologiemanagement – es ist der Schlüssel zu konsistenten, qualitativ hochwertigen Übersetzungen.
4. Datenschutzbewusstsein: Prüfen Sie sorgfältig, welche Übersetzungssysteme Ihre Compliance-Anforderungen erfüllen, besonders bei sensiblen technischen Daten.
5. Qualitätssicherung: Etablieren Sie angemessene Kontrollprozesse, besonders für sicherheitsrelevante oder rechtlich bindende Dokumente.
Der Weg in die Zukunft
Die kommenden Jahre werden von einer noch tieferen Integration der KI in den gesamten Dokumentationsprozess geprägt sein. Wir erwarten eine Konvergenz von CAT-Tools und LLMs, mit zunehmend nahtlosen Übergängen zwischen Authoring, Übersetzung und Publikation.
Neue Rollen entstehen, etwa die des „Technical AI Content Specialists“, der sowohl technisches Fachwissen als auch KI-Kompetenz mitbringt. Die Übersetzungsbranche wird sich weiter spezialisieren, mit stärkerem Fokus auf Beratung, Implementierung und Qualitätssicherung.
Für Unternehmen bedeutet dieser Wandel eine Chance, global präsenter zu sein und mehr Inhalte in mehr Sprachen anzubieten – ohne dabei die Qualität zu kompromittieren oder rechtliche Risiken einzugehen.
Ihr Partner in der digitalen Transformation
Als PRODOC Translations begleiten wir seit über 30 Jahren technische Unternehmen bei ihren Lokalisierungsherausforderungen. Mit unserer Kombination aus ingenieurwissenschaftlichem Hintergrund, linguistischer Expertise und zertifiziertem KI-Know-how unterstützen wir Sie dabei, die Potenziale der maschinellen Übersetzung optimal für Ihre spezifischen Anforderungen zu nutzen.
In einer persönlichen Beratung analysieren wir gerne Ihre aktuelle Dokumentationsstrategie und zeigen Ihnen konkrete Optimierungsmöglichkeiten auf. Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Erstgespräch.
Die Zukunft der technischen Übersetzung liegt nicht in der vollständigen Automatisierung, sondern in der intelligenten Symbiose von menschlicher Expertise und maschineller Effizienz. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gestalten.
Häufige Fragen
Neuronale maschinelle Übersetzungssysteme (NMT) wie DeepL oder Google Translate wurden speziell für das Übersetzen trainiert. Sie beruhen auf sogenannten Sequenz-zu-Sequenz-Architekturen, die Satz für Satz analysieren und übersetzen. Sie sind besonders gut darin, konsistente Terminologie und Formatierung zu liefern – entscheidend bei technischen Texten.
Generative KI, etwa GPT-4 oder Claude, wurde hingegen nicht primär für Übersetzungen entwickelt, sondern ist ein sogenanntes Large Language Model (LLM), das viele Aufgaben beherrscht – darunter auch Übersetzung. LLMs verstehen Texte oft kontextueller und „denken mit“, was bei sinnbasierter Übersetzung hilfreich ist. Dafür fehlt ihnen manchmal die terminologische Disziplin spezialisierter Systeme.
Fazit: NMT ist stark bei strukturierten Fachtexten mit konsistenter Terminologie, generative KI brilliert bei Kontextverständnis und Natürlichkeit.
Maschinelle Übersetzung funktioniert am besten bei Sprachpaaren mit vielen verfügbaren Trainingsdaten. Klassische Kombinationen wie Englisch–Deutsch, Englisch–Spanisch oder Französisch–Italienisch profitieren von riesigen Parallelkorpora und ständiger Forschung. Hier erreichen NMT- und LLM-Systeme hohe Genauigkeit und stilistische Qualität.
Anders sieht es bei „Low-Resource“-Sprachen wie Finnisch–Japanisch oder Deutsch–Arabisch aus. Hier fehlt es an umfangreichem, qualitativ hochwertigem Trainingsmaterial, was zu höheren Fehlerraten führt. Der Post-Editing-Aufwand steigt entsprechend.
Technische Dokumentation profitiert stark von Sprachpaaren, bei denen Struktur und Terminologie gut dokumentiert und trainiert sind – was bei großen EU-Sprachen meist gegeben ist.
Die Rolle des Übersetzers wandelt sich zunehmend vom klassischen Textproduzenten hin zum Post-Editor, Qualitätssicherer und KI-Trainer. Anstatt Texte komplett neu zu übersetzen, verbessern sie maschinelle Vorübersetzungen und sorgen für Fachterminologie, Stil und Korrektheit.
Besonders in der technischen Kommunikation wird der Übersetzer zur Schnittstelle zwischen Fachwissen und maschineller Effizienz. Er bringt Kontextverständnis, Kreativität und Verantwortung in den Prozess ein – etwas, das selbst moderne KI nicht leisten kann.
Neue Rollen entstehen: etwa der „AI Content Specialist“ oder „Translation Workflow Engineer“, die sich mit Systemintegration, Qualitätssicherung und maschinellem Lernen beschäftigen.