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ISO 17100 vs KI-Übersetzung

ISO 17100 vs. KI-Übersetzung — Was bleibt von der zertifizierten Fachübersetzung?

In den vergangenen Jahren haben generative KI-Systeme wie GPT-4 die Übersetzungslandschaft revolutioniert. Während unser erster Blogbeitrag die technologischen Entwicklungen beleuchtete und der zweite Beitrag die Haftungsrisiken analysierte, steht heute eine zentrale Frage im Raum: Wie verträgt sich die wachsende KI-Nutzung mit etablierten Qualitätsstandards wie der ISO 17100?

ISO-17100-vs-KI-Übersetzung

Als Dokumentationsverantwortlicher stehen Sie vor dem Dilemma, einerseits Effizienzgewinne durch KI nutzen zu wollen, andererseits aber ISO-Zertifizierungen und deren Qualitätsversprechen aufrechterhalten zu müssen. Diese Herausforderung betrifft tausende mittelständische Unternehmen, die international agieren und auf zertifizierte Prozesse setzen.

Die Antwort ist komplexer als ein einfaches „Entweder-oder“. In diesem Beitrag zeigen wir, welche Elemente der ISO-Standards auch im KI-Zeitalter unverzichtbar bleiben und wie eine normkonforme Integration gelingen kann. Wir analysieren sowohl die formalen Anforderungen der relevanten Normen als auch erfolgreiche Implementierungsstrategien aus der Praxis, damit Sie informierte Entscheidungen für Ihre technische Dokumentation treffen können.

Die ISO 17100 im Detail: Was der Standard wirklich fordert

Die ISO 17100:2015 stellt den internationalen Goldstandard für professionelle technische Übersetzungen dar. Doch was genau verlangt diese Norm eigentlich?

Kernstück der ISO 17100 ist nicht nur das oft zitierte 4-Augen-Prinzip, sondern ein umfassendes Qualitätssicherungssystem. Die Norm definiert präzise, wer als qualifizierter Übersetzer gilt – nämlich Personen mit:
• Einem anerkannten Hochschulabschluss in Übersetzung
• Oder einem gleichwertigen Abschluss in einem anderen Fachgebiet plus zwei Jahren dokumentierter Übersetzungserfahrung
• Oder mindestens fünf Jahren dokumentierter professioneller Übersetzungserfahrung

Zusätzlich müssen Übersetzer nach ISO 17100 spezifische Kompetenzen nachweisen:

1. Übersetzungskompetenz: Fähigkeit, Texte entsprechend der Anforderungen zu übersetzen, einschließlich Verständnis von Problemen der Bedeutung und sprachlicher Konventionen
2. Sprachliche und textliche Kompetenz: Verstehen der Ausgangssprache und vollständige Beherrschung der Zielsprache
3. Recherchenkompetenz: Fähigkeit, effizient sprachliche und spezialisierte Informationen zu erlangen
4. Kulturelle Kompetenz: Nutzung aktueller Informationen über Konventionen, Normen und Standards
5. Technische Kompetenz: Fähigkeiten zur Nutzung von technischen Ressourcen und Werkzeugen
6. Sachgebietskompetenz: Verstehen des Inhalts in der Ausgangssprache und Wiedergabe in der Zielsprache

Die Norm fordert ein strukturiertes Projektmanagement, das spezifische Prozessschritte umfasst: von der Anfrage über die Kalkulation, Beauftragung, Übersetzung, Revision bis zur Auslieferung und Nachbearbeitung. Jeder dieser Schritte muss dokumentiert und rückverfolgbar sein.

Bemerkenswert ist die klare Position der Norm zur maschinellen Übersetzung: „Die Verwendung von Rohübersetzungen aus maschineller Übersetzung plus Post-Editing liegt außerhalb des Geltungsbereichs von ISO 17100:2015“ – so der explizite Wortlaut der Norm. Diese Formulierung schafft auf den ersten Blick einen unlösbaren Konflikt zwischen ISO-Zertifizierung und KI-Nutzung.

Die Grundanforderungen der ISO 17100 bleiben aus gutem Grund bestehen: Sie garantieren eine konsistente Übersetzungsqualität, die für technische Dokumentation, rechtliche Texte und andere kritische Inhalte unerlässlich ist. Fehlerhafte Übersetzungen können nicht nur zu Verständnisproblemen führen, sondern im schlimmsten Fall auch zu Sicherheitsrisiken und Haftungsfällen, wie wir in unserem vorherigen Beitrag ausführlich dargelegt haben.

ISO 18587: Die Brückennorm für Post-Editing

Die scheinbare Unvereinbarkeit zwischen ISO 17100 und maschineller Übersetzung wird durch einen weiteren Standard entschärft: die ISO 18587:2017, die speziell für das Post-Editing maschineller Übersetzungen entwickelt wurde.

Diese Norm definiert Anforderungen an den Post-Editing-Prozess und an die Qualifikation von Post-Editoren, die – bemerkenswert – fast identisch mit denen für Übersetzer in der ISO 17100 sind. Nach ISO 18587 müssen Post-Editoren:
• Sprachliche und textliche Kompetenzen in der Ausgangs- und Zielsprache nachweisen
• Kulturelle, technische und fachliche Kompetenzen besitzen
• Entweder einen Hochschulabschluss in Übersetzen, Linguistik oder Sprachen haben, oder
• Einen anderen Hochschulabschluss plus zwei Jahre vollzeitliche Berufserfahrung im Übersetzen oder Posteditieren, oder
• Fünf Jahre vollzeitliche Berufserfahrung im Übersetzen oder Posteditieren vorweisen können

Die ISO 18587 unterscheidet zudem zwischen zwei Arten der Nachbearbeitung:

1. Light Post-Editing: Hierbei geht es primär darum, eine grundlegende Verständlichkeit herzustellen. Der Text muss inhaltlich korrekt sein, stilistische Mängel können jedoch bestehen bleiben. Diese Stufe eignet sich für Inhalte mit kurzer Lebensdauer oder internem Gebrauch.
2. Full Post-Editing: Das Ziel ist eine Qualität, „die von einer rein humanen Übersetzung nicht zu unterscheiden ist“. Alle Aspekte – Inhalt, Stil, Terminologie, Formatierung – müssen dem Niveau einer professionellen menschlichen Übersetzung entsprechen. Dies ist der Standard für veröffentlichte Dokumentation.

Die Norm beschreibt detailliert, welche Fehlertypen bei Full Post-Editing korrigiert werden müssen:

• Falsche oder ausgelassene Informationen
• Grammatik- und Rechtschreibfehler
Terminologische Inkonsistenzen
• Formatierungsprobleme
• Kulturell unangemessene Inhalte
• Stilistische Schwächen, die das Verständnis beeinträchtigen

Diese „Brückennorm“ ist entscheidend, denn sie schafft einen standardisierten Rahmen für die Nachbearbeitung maschineller Übersetzungen und ermöglicht damit einen hybriden Ansatz, der sowohl die Effizienzvorteile der KI als auch die Qualitätssicherung durch qualifizierte Fachleute kombiniert.

Die praktische Bedeutung liegt darin, dass ein Unternehmen, das sowohl nach ISO 17100 als auch nach ISO 18587 zertifiziert ist, seinen Kunden eine doppelte Qualitätsgarantie bieten kann: Die Prozesse erfüllen höchste Branchenstandards, unabhängig davon, ob traditionelle Übersetzungsmethoden oder KI-gestützte Verfahren eingesetzt werden.

Zertifizierte Workflows mit KI-Integration

Wie sieht ein ISO-konformer Workflow mit KI-Unterstützung in der Praxis aus? Mehrere führende Übersetzungsdienstleister haben bereits erfolgreiche Modelle entwickelt.

Ein besonders effektiver Ansatz ist die Implementierung eines mehrstufigen Validierungsprozesses:

1. Pre-Translation mit TM-Integration: Nutzung vorhandener Translation Memories als erste Schicht der Automatisierung. Dieser Schritt gewährleistet terminologische Konsistenz mit früheren Übersetzungen und reduziert das Risiko von Inkonsistenzen.

2. KI-basierte Übersetzung: Einsatz domänenspezifischer oder finegetuned KI-Modelle als zweite Schicht. Hierbei ist entscheidend, dass die verwendeten Modelle für den spezifischen Fachbereich optimiert wurden – etwa durch Training mit branchenspezifischen Paralleltexten.

3. Terminologie-Injektion: Automatische Korrektur der KI-Ausgabe basierend auf firmenspezifischen Glossaren – eine Funktion, die beispielsweise RWS in Trados Studio 2024 integriert hat. Dieser Schritt adressiert eines der Hauptprobleme klassischer MT-Systeme – die inkonsistente Anwendung firmeneigener Fachterminologie.

4. Full Post-Editing: Umfassende Nachbearbeitung durch qualifizierte Post-Editoren gemäß ISO 18587. Die Bearbeiter verfügen idealerweise über Fachkenntnisse im relevanten Bereich (etwa Ingenieurwesen, Medizintechnik oder IT) und sind speziell für Post-Editing geschult.

5. Unabhängige Revision: Überprüfung durch einen zweiten Fachübersetzer gemäß dem 4-Augen-Prinzip der ISO 17100. Diese Person hat keinen Einblick in den Übersetzungsprozess gehabt und prüft das Ergebnis objektiv auf Qualität und Übereinstimmung mit dem Ausgangstext.

6. Qualitätskontrolle: Finale Überprüfung auf Konsistenz, Formatierung und Vollständigkeit. Hier kommen oft automatisierte QA-Tools zum Einsatz, die beispielsweise Zahlen, Einheiten, Tags und Formatierungen prüfen.

Dieser Workflow nutzt KI als Werkzeug innerhalb eines menschenzentrierten Prozesses – nicht als Ersatz für menschliche Expertise. Die nachweisbare Qualifikation der beteiligten Fachkräfte und die dokumentierte Einhaltung der prozessualen Anforderungen bleiben entscheidend für die ISO-Konformität.

Technisch wird diese Integration durch moderne CAT-Tools ermöglicht. Dienste wie Custom.MT haben beispielsweise Übersetzungs-LLMs direkt in gängige Übersetzungsumgebungen wie Trados, memoQ und XTM integriert, was einen nahtlosen Übergang zwischen KI-Vorschlägen und menschlicher Bearbeitung ermöglicht.

Ein weiterer innovativer Ansatz ist der Einsatz von „Adaptive Translation“ – ein von Google 2023 eingeführter LLM-basierter Übersetzungsmodus. Linguisten bevorzugten in Tests die adaptiven LLM-Übersetzungen wegen ihres natürlicheren, nuancierteren Stils, selbst wenn traditionelle Metriken wie BLEU dies nicht immer widerspiegeln.

Normkonforme Dokumentation der KI-Nutzung

Ein oft übersehener, aber kritischer Aspekt der Normenkonformität ist die angemessene Dokumentation des KI-Einsatzes. ISO-Audits prüfen nicht nur die Ergebnisqualität, sondern auch den dokumentierten Prozess – und hier liegen besondere Herausforderungen bei KI-gestützten Übersetzungen.

Für eine normkonforme Dokumentation sollten Sie folgende Elemente sicherstellen:

• Transparente Modelldokumentation: Welche KI-Modelle wurden eingesetzt? Wie wurden sie trainiert oder finegetuned? Welche Qualitätsbewertungen liegen vor? Diese Informationen werden zunehmend wichtiger, besonders im Kontext des EU AI Acts, der für bestimmte KI-Anwendungen Transparenzpflichten vorsieht.
• Nachvollziehbare Prozessschritte: Klare Dokumentation, wann KI eingesetzt wurde und welche menschlichen Qualifikationsträger in welcher Phase involviert waren. Bei Audits muss nachweisbar sein, dass qualifizierte Fachkräfte gemäß ISO-Anforderungen am Prozess beteiligt waren.
• Rückverfolgbare Änderungshistorie: Nachweis der Überarbeitungsschritte vom maschinellen Rohtext bis zur finalen Version. Dies ermöglicht nicht nur die Qualitätssicherung, sondern auch die spätere Fehleranalyse und kontinuierliche Verbesserung.
• Validierungsnachweise: Dokumentation der Qualitätssicherungsprozesse, insbesondere für sicherheitsrelevante Inhalte. Für kritische Texte wie Sicherheitshinweise sollten spezielle Prüfprotokolle existieren.

Diese dokumentarischen Anforderungen erfordern angepasste Workflows und Systeme. CAT-Tools mit integrierten Tracking-Funktionen sind dabei besonders wertvoll, da sie Änderungshistorien automatisch protokollieren und für Audits bereitstellen können.

Ein praktisches Beispiel: Ein Hersteller medizinischer Geräte implementierte ein spezifisches Kennzeichnungssystem für seine Dokumentation. Jeder Textabschnitt erhielt einen Status-Code, der den Übersetzungsprozess transparent machte:

• Status A: Vollständig menschliche Übersetzung (für höchstkritische Warnhinweise)
• Status B: KI-Unterstützung mit Full Post-Editing und Fachlektorat (für Bedienungsanleitungen)
• Status C: KI-Übersetzung mit Light Post-Editing (für interne Schulungsmaterialien)

Diese Klassifizierung wurde in der Dokumentenverwaltung hinterlegt und stand für Audits und Nachweise zur Verfügung – ein Beispiel für praktikable Transparent im Sinne der Normkonformität.

Neue Standards für KI-Systeme: ISO 42001 und ihre Relevanz

Im März 2023 wurde die ISO 42001 als neuer Standard für KI-Managementsysteme veröffentlicht. Diese Norm zielt darauf ab, „Unternehmen beim verantwortungsvollen Einsatz von KI-Systemen zu helfen, unabhängig davon, ob ein Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen nutzt, entwickelt, überwacht oder bereitstellt“.

Die ISO 42001 könnte in naher Zukunft ein wichtiger Bezugspunkt für die Bewertung und Zertifizierung von KI-gestützten Übersetzungsprozessen werden. Sie adressiert Aspekte wie:

• Transparenz und Erklärbarkeit: Wie nachvollziehbar sind die Entscheidungen und Ausgaben der KI-Systeme?
• Risikomanagement: Welche potenziellen negativen Auswirkungen könnte das KI-System haben und wie werden diese minimiert?
• Datenqualität und -management: Wie wird sichergestellt, dass die Trainingsdaten korrekt, repräsentativ und frei von Verzerrungen sind?
• Kontinuierliche Überwachung und Verbesserung: Wie wird die Leistung des KI-Systems überwacht und verbessert?

Diese Aspekte sind für Übersetzungsprozesse hochrelevant. Ein KI-Übersetzungssystem, das nach ISO 42001 gemanagt wird, könnte beispielsweise:

• Transparenz über seine Trainingsmethoden und -daten bieten
• Klare Risikobewertungen für verschiedene Textarten und Anwendungsfälle bereitstellen
• Prozesse zur kontinuierlichen Validierung und Verbesserung implementieren
• Mechanismen zur Erkennung und Behebung von Verzerrungen oder systematischen Fehlern etablieren

Für Dokumentationsverantwortliche bedeutet dies, dass perspektivisch eine Kombination aus ISO 17100/18587 für den Übersetzungsprozess und ISO 42001 für das KI-Management den umfassendsten Qualitätsrahmen bieten könnte.

Einige Übersetzungsdienstleister wie mt-g arbeiten bereits an der Integration dieser Standards in ihre Prozesse, besonders für sensible Bereiche wie medizinische Fachübersetzungen, wo Präzision existenziell ist.

Die tekom – ein führender Fachverband für technische Kommunikation – plant für 2025 ein Whitepaper zur „Verordnung über künstliche Intelligenz (EU) 2024/1689 und ihre Auswirkungen auf die Technische Kommunikation“, was die Bedeutung des Themas für die Branche unterstreicht.
Fallstudie: ISO-konforme KI-Integration in der technischen Dokumentation

Ein mittelständischer Maschinenbauer mit 350 Mitarbeitern stand vor der Herausforderung, seine ISO 17100-zertifizierten Übersetzungsprozesse effizienter zu gestalten, ohne die Zertifizierung zu gefährden. Als Hersteller sicherheitsrelevanter Maschinen mit CE-Kennzeichnung war die Dokumentationsqualität nicht verhandelbar.

Das Unternehmen entschied sich für einen dreistufigen Ansatz:

Phase 1: Risikobewertung und Inhaltsklassifizierung Alle Übersetzungsinhalte wurden in drei Kategorien eingeteilt:

• Höchstes Risiko: Sicherheitshinweise, rechtliche Warnungen, Gefahren- und Vorsichtshinweise
• Mittleres Risiko: Bedienungsanleitungen, Funktionsbeschreibungen, Installations- und Wartungsanweisungen
• Niedriges Risiko: Marketinginhalte, interne Kommunikation, Produktbeschreibungen ohne sicherheitsrelevante Aspekte

Diese Klassifizierung ermöglichte einen differenzierten Ansatz, der die Ressourcen dorthin lenkte, wo sie am dringendsten benötigt wurden.

Phase 2: Workflow-Design nach ISO 18587 Für Inhalte mittleren Risikos – den Großteil der technischen Dokumentation – wurde ein hybrides Modell implementiert:

• KI-Vorübersetzung mit domänenspezifischem Modell, das auf firmenspezifischen Translation Memories und Fachtexten trainiert wurde
• Full Post-Editing durch qualifizierte technische Übersetzer mit ingenieurwissenschaftlichem Hintergrund
• 4-Augen-Revision gemäß ISO 17100 durch erfahrene Fachübersetzer
• Automatisierte Qualitätsprüfung mithilfe spezialisierter QA-Tools für technische Terminologie

Für höchstkritische Inhalte wurde weiterhin ein vollständig menschlicher Übersetzungsprozess beibehalten, während Inhalte mit niedrigem Risiko einen vereinfachten Workflow mit Light Post-Editing durchliefen.

Phase 3: Dokumentation und Audit-Vorbereitung Besonderes Augenmerk wurde auf die Dokumentation gelegt:

• Erstellung eines Prozesshandbuchs mit klaren KI-Nutzungsrichtlinien und Verfahrensanweisungen
• Sammlung und Archivierung von Qualifikationsnachweisen aller beteiligten Post-Editoren und Revisoren
• Implementierung einer transparenten Nachverfolgung der Prozessschritte im Translation Management System
• Entwicklung spezifischer Audit-Nachweise für den KI-Einsatz, einschließlich Modellbeschreibungen und Trainingsdaten

Das Unternehmen führte zusätzlich regelmäßige Qualitätskontrollen durch, bei denen zufällig ausgewählte Übersetzungen durch unabhängige Prüfer evaluiert wurden. Die Ergebnisse flossen in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess ein.

Das Ergebnis: Bei der nächsten ISO-Zertifizierung konnte das Unternehmen nachweisen, dass trotz KI-Einsatz alle Kernforderungen der ISO 17100 erfüllt wurden. Die Produktivität stieg um 47%, während die Übersetzungskosten um 31% sanken – bei gleichbleibender Qualität und vollständiger rechtlicher Absicherung.

Entscheidend für den Erfolg war die klare Abgrenzung: Hochkritische Inhalte werden weiterhin vollständig manuell übersetzt, während der größte Teil der technischen Dokumentation vom hybriden Modell profitiert.

Fazit und Handlungsempfehlungen für Dokumentationsverantwortliche

Die zentrale Erkenntnis unserer Analyse: ISO-Zertifizierung und KI-Nutzung sind keine unvereinbaren Gegensätze, sondern können bei durchdachter Integration zu einem leistungsfähigen Gesamtsystem verbunden werden. Die Schlüsselelemente der ISO-Standards – qualifizierte Fachkräfte, strukturierte Prozesse und konsequente Qualitätskontrolle – behalten ihre Gültigkeit und Wichtigkeit.

Für Dokumentationsverantwortliche empfehlen wir folgende konkrete Schritte:

1. Strategische Inhaltsbewertung: Klassifizieren Sie Ihre Dokumentation nach Risikostufen und definieren Sie entsprechende Übersetzungsstrategien. Berücksichtigen Sie dabei rechtliche Anforderungen, Sicherheitsrelevanz und Nutzungskontext.

2. Qualifikationssicherung: Investieren Sie in die Weiterbildung Ihrer Sprachexperten zu qualifizierten Post-Editoren gemäß ISO 18587, idealerweise mit technischem Hintergrundwissen. Spezialisierte Schulungen für Post-Editing werden mittlerweile von verschiedenen Institutionen angeboten.

3. Prozessintegration: Implementieren Sie einen dokumentierten Workflow, der KI-Technologien als Werkzeug innerhalb eines menschenzentrierten Qualitätsprozesses positioniert. Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten und Qualitätskontrollpunkte.

4. Transparente Dokumentation: Entwickeln Sie ein Dokumentationskonzept, das den KI-Einsatz transparent macht und die menschliche Verantwortung klar zuordnet. Bereiten Sie spezifische Nachweise für ISO-Audits vor.

5. Normative Weiterentwicklung: Beobachten Sie die Entwicklung neuer Standards wie ISO 42001 und bereiten Sie Ihre Prozesse auf künftige Zertifizierungsanforderungen vor. Die Integration von KI-spezifischen Qualitätsmanagementansätzen wird zunehmend wichtiger.

6. Kontinuierliche Evaluation: Führen Sie regelmäßige Qualitätskontrollen durch, um die Leistung Ihres hybriden Übersetzungssystems zu bewerten. Nutzen Sie diese Ergebnisse für kontinuierliche Verbesserungen.

7. Wissenserweiterung: Halten Sie sich über regulatorische Entwicklungen wie den EU AI Act auf dem Laufenden, die Auswirkungen auf den Einsatz von KI in der technischen Dokumentation haben könnten.

Die Zukunft der zertifizierten Fachübersetzung liegt nicht in der vollständigen Automatisierung, sondern in der intelligenten Symbiose zwischen KI-Effizienz und menschlicher Expertise. Übersetzungsnormen werden sich weiterentwickeln, aber ihre Kernprinzipien – qualifizierte Fachkräfte, definierte Prozesse und wirksame Qualitätskontrolle – bleiben unverzichtbar.

Das ideale Szenario ist ein synergetisches System, in dem KI repetitive Aufgaben übernimmt und menschliche Experten ihre Zeit und Energie auf komplexe Probleme, kulturelle Anpassungen und kritische Qualitätssicherung konzentrieren können. Die technischen Möglichkeiten für diese Integration sind bereits vorhanden – die Herausforderung liegt in der Entwicklung und Dokumentation normkonformer Prozesse.

Als ISO 17100-zertifizierter Übersetzungsdienstleister mit über 30 Jahren Erfahrung in der technischen Dokumentation begleiten wir bei PRODOC Translations Sie gerne auf dem Weg zu einer normkonformen KI-Integration. In einem unverbindlichen Beratungsgespräch analysieren wir Ihre spezifischen Anforderungen und entwickeln eine maßgeschneiderte Strategie, die Effizienzgewinne und Zertifizierungskonformität optimal verbindet.

Häufige Fragen

Ja, das ist möglich – wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Die ISO 17100 schließt maschinelle Übersetzung im engeren Sinne zwar explizit aus („raw MT output plus post-editing“ ist nicht Teil der Norm). Sie erlaubt aber keine Qualitätskompromisse, egal wie ein Text erstellt wurde. Deshalb kommt es auf den Gesamtprozess an: Wird eine maschinelle Übersetzung vollständig durch qualifizierte Fachkräfte nachbearbeitet, validiert und dokumentiert – wie es die ISO 18587 verlangt – kann dieser Prozess in einen ISO-17100-zertifizierten Gesamtworkflow eingebettet werden.

Entscheidend sind also nicht das Tool oder die Methode, sondern die Qualifikation der beteiligten Personen, die prozessuale Struktur und die lückenlose Dokumentation. So lässt sich KI effizient einsetzen, ohne die Normkonformität zu gefährden.

🔗 tekom über die ISO-Normen in der Praxis

Full Post-Editing bezeichnet die umfassende Nachbearbeitung maschinell erzeugter Übersetzungen, sodass das Endergebnis nicht mehr von einer vollständig menschlichen Übersetzung zu unterscheiden ist. Laut ISO 18587 müssen dabei alle Inhalte stilistisch, grammatikalisch, terminologisch und kulturell korrekt sein – also auf höchstem professionellen Niveau.

Full Post-Editing ist insbesondere dann notwendig, wenn die Zieltexte veröffentlicht werden, rechtliche oder sicherheitsrelevante Inhalte enthalten oder Bestandteil von ISO-zertifizierten Prozessen sind. Einfache „verständliche Rohtexte“ genügen dann nicht – Qualität, Konsistenz und Nachvollziehbarkeit sind Pflicht.

🔗 ISO 18587:2017 – Post-Editing Standard

Das 4-Augen-Prinzip ist ein zentrales Element der ISO 17100. Es verlangt, dass jede Übersetzung von einer zweiten qualifizierten Person überprüft wird, die nicht am eigentlichen Übersetzungsvorgang beteiligt war. Ziel ist es, Fehlerquellen zu minimieren und die Qualität des Endprodukts objektiv zu sichern.

Auch bei KI-gestützten Prozessen bleibt dieser Grundsatz erhalten: Nach dem Post-Editing durch einen Fachübersetzer muss eine unabhängige Revision erfolgen. Nur so kann das Ergebnis den Ansprüchen der Norm entsprechen – ganz gleich, ob ein Mensch oder eine Maschine den ersten Entwurf geliefert hat.

🔗 ISO 17100:2015 – Anforderungen an Übersetzungsdienstleistungen